Wir kennen alle diese Präsentationen, bei denen jemand eine Folie mit Textvollkasko öffnet – sechs Absätze, drei Fonts, zwei Kästen – und dann zwanzig Minuten lang vorliest, was alle längst selbst erfasst haben. In der Schweiz wurden Laserpointer inzwischen verboten, weil einige Leute Piloten damit geblendet haben. PowerPoint hingegen blieb völlig legal, obwohl es regelmäßig ganze Zuhörerschaften schachmatt setzt.

Anderer Workflow, besseres Resultat

Meine Arbeitsweise kommt aus einer anderen Tradition. Harvard Graphics war reduziert und ehrlich, LaTeX Beamer strukturiert und reproduzierbar. Beide behandelten Präsentationen als Ausdruck von Gedanken, nicht als Dekorationsflächen. Diese Haltung passt zu mir – und sie passt perfekt zu meiner heutigen Umgebung: Markdown in Obsidian, sauber versioniert, klar getrennt nach Inhalt und Layout, ergänzt durch Marp, das daraus stabile, konsistente Präsentationen erzeugt – HTML, PDF oder notfalls sogar PPTX.

Powerpoint considered harmful

PowerPoint ist nicht gefährlich, weil es Diagramme malt oder Text animiert. Gefährlich wird es dort, wo komplexe Zusammenhänge auf ein Format gepresst werden, das für Komplexitätsreduktion gebaut wurde – nicht für Analyse.

Das bekannteste Beispiel ist eine Folie aus dem Afghanistan-Konflikt, eine grafische Katastrophe, die gleichzeitig versucht, Gesellschaft, Politik, Logistik, Wirtschaft, Drogenhandel, Insurgenten und ausländische Einflussnahmen in ein einziges Schaubild zu packen. Das Ergebnis sieht aus, als hätte jemand das Innenleben eines Jettriebwerks als Mindmap exportiert.

Afghanistan Stability / COIN Dynamics

Die Folie ist legendär geworden, weil sie exakt zeigt, wie sachliche Analyse durch PowerPoint zu einer optischen Überforderung wird. Sie wirkt beeindruckend, aber sie verschleiert mehr, als sie erklärt.

Noch gravierender ist der Fall der Raumfähre Columbia. In den Tagen vor dem Unfall präsentierten Ingenieurteams PowerPoint-Folien, in denen kritische Informationen über Schäden am Hitzeschild in einer Mischung aus Managementsprache, schlechten Hervorhebungen und unklaren Bulletpoints untergingen. Die zentralen Risiken waren zwar vorhanden (Der letzte Bullet Point ist im Original nicht hervorgehoben) – aber der Folienstil ließ ihre Bedeutung harmlos wirken.

NASA Columbia

Das war keine Absicht, sondern eine strukturelle Nebenwirkung: PowerPoint ist ein Werkzeug zur Vereinfachung, nicht zur präzisen Kommunikation. Und genau diese falsche Schlichtheit begünstigte – laut offizieller Unfallanalyse – eine fatale Fehleinschätzung.

PowerPoint richtet den Schaden also nicht an, weil Menschen inkompetent wären, sondern weil es dazu verleitet, Probleme so darzustellen, wie sie gern gesehen würden – nicht so, wie sie wirklich sind.

Der Workflow könnte kaum eleganter sein: Ich schreibe meine Folien dort, wo auch mein restliches Denken stattfindet – in Obsidian, als einfacher Text, verlinkt, suchbar, versionierbar. Ein Theme definiert das Design, ein Exportbefehl erzeugt das Ergebnis, und jede Änderung ist nachvollziehbar. Keine verrutschenden Shapes, keine Folienmaster-Rebellionen, kein Unheil beim Versuch, eine Corporate-Vorlage von 2016 zu aktualisieren.

PowerPoint kann ich also durchaus bedienen. Ich benutze es nur nicht als Produktionswerkzeug, weil ich lieber in einem System arbeite, das meine Gedanken sauber, reproduzierbar und technisch präzise abbildet – statt sie in eine Klickoberfläche zu pressen, die am liebsten selbst bestimmt, wie etwas auszusehen hat.

Fazit

Der Satz, den ich inzwischen verwende, bringt es auf den Punkt: Ich kann auch PowerPoint. Ich bevorzuge nur Werkzeuge, die meine Arbeit besser machen – nicht bunter.

Kommentare

Suche starten

Geben Sie Schlüsselwörter ein, um Artikel zu suchen

↑↓
ESC
⌘K Tastenkürzel