Sicherheit: Zwischen Marketingsprech und Patchday-Overkill
Microsoft stellt sich gerne als Hüter der Cloud-Sicherheit dar, während sie gleichzeitig regelmäßig durch fatale Sicherheitslücken in ihren eigenen Produkten Schlagzeilen machen. Besonders bitter: viele dieser Lücken wären intern frühzeitig auffindbar gewesen – wenn Security nicht regelmäßig der Markteinführung oder den KPIs geopfert würde.
- Der Exchange-Hack 2021?
- Der kompromittierte Azure AD-Key 2023?
- Die Storm-0558-Katastrophe mit gestohlenen Signaturschlüsseln?
- Und als neuester Clou: die Zero-Day-Lücke auf Sharepoint im Juli 2025!
Viele dieser Vorfälle sind keine „Zero Days“, sondern strukturelle Versäumnisse im Sicherheitsmodell eines Unternehmens, das Sicherheit nach außen verkauft und nach innen offenbar eher als PR-Baustein versteht.
Rekordgewinne, aber Massenentlassungen
Microsoft hat allein 2023 rund 10.000 Mitarbeiter entlassen – und das bei steigenden Umsätzen und satten Gewinnen. Die Botschaft ist klar: Das Personal ist Mittel zum Zweck, nicht mehr.
Gleichzeitig werden AI-Projekte mit immensem Kapital ausgestattet, während die Support- und QA-Teams ausgedünnt werden. Wer leidet darunter? Kunden. Und natürlich die noch verbleibenden Mitarbeitenden, die Burnout in Serie riskieren. Die Anleger dagegen feiern Microsoft, weil der Kurs stimmt. Die Strategie ist aufgegangen: Cloud-First, AI-First, Subscription-First. Aber dieser Kurs geht auf Kosten von: Kundenbindung durch Qualität, Nachhaltigkeit in der Produktstrategie und sozialer Verantwortung gegenüber Mitarbeitern.
Das alles wäre ja schon unsympathisch und es gibt genügend Konkurrenten, die bessere Software verkaufen. Leider ist Qualität, Sicherheit und soziale Verantwortung in vielen Firmen ebenfalls kein Thema. So bin auch ich hin und wieder gezwungen, mich mit dem Microsoft-Universum auseinanderzusetzen.
DamalsTM habe ich Windows installiert, Benutzer angelegt, Treiber drauf, fertig. Heute? Muss ich erst mein WLAN kappen, damit Microsoft mir erlaubt, ein Offline-Konto zu verwenden. Sonst lande ich direkt im Abhängigkeitskarussell:
- Microsoft-Konto verpflichtend
- OneDrive zwangsaktiviert
- Der Rechner registriert sich selbst beim Azure-Tenant, wenn du nicht aufpasst
- Outlook verheddert sich mit längst toten Firmen-Identitäten
- Teams meldet sich immer mit dem falschen Account
- Und irgendwo ruft ein Cloud-Service: „Das ist aus Sicherheitsgründen leider nicht erlaubt.“
Früher war’s mal ein Betriebssystem
NT 4 SP6a – das war alles, was ich brauchte. Ein stabiles, konfigurierbares System, das tat, was man wollte. Kein Store, keine Cloud, kein Accountzwang. Heute startet Windows mit Werbekacheln, MSN-News, Edge-Popups und einer OneDrive-Missionarsstellung. Ich will ein System, das mir gehört. Nicht eines, das sich bei jedem Neustart fragt, ob es noch darf.
Windows ist kein OS mehr – es ist ein Portal in ein Microsoft-Ökosystem, das du nie ganz verstehst und nie ganz kontrollierst. Jeder Klick ist potenziell ein Schritt in Richtung AzureAD, MDM, Copilot oder sonstige Wolkenbindung. Du klickst „OK“ – und bist plötzlich in einem fremden Tenant.
Teams – von der Rettung zum Rückschritt
Während der Pandemie war Teams hilfreich. Es funktionierte solide, war schnell einsetzbar und wurde zur digitalen Lebensader für viele Unternehmen. Heute jedoch hat es sich zu einer UI-Hölle auf Electron-Basis entwickelt: Chats splitten sich unkontrolliert in mehrere Stränge, Audio funktioniert mal so, mal nicht, und die neue Teams-Version ist zwar schneller, aber gleichzeitig schlechter in der Bedienung. Gastlinks funktionieren oft nicht wie erwartet, und der Meetingbeitritt gleicht einem Minispiel – manchmal braucht es bis zu zwölf Klicks, bis man überhaupt im virtuellen Raum ankommt. Ich will einfach nur sprechen. Teams hingegen scheint sich selbst feiern zu wollen.
KI – Sadistisch statt smart
KI kann großartig sein – wenn sie dir wirklich hilft. Aber Microsoft hat aus dem Versprechen der künstlichen Intelligenz ein Produkt gemacht, das dich mehr nervt als unterstützt. Copilot ist keine Assistenz, sondern eine Quälerei. Es kostet extra – obwohl ich längst Office bezahlt habe. Es ist aufdringlich, schwer steuerbar, nicht nachvollziehbar – und liefert in den meisten Fällen belanglose Vorschläge, die mit einem echten Arbeitsfluss nichts zu tun haben.
Statt smarter Unterstützung bekomme ich Clippy in neuem Gewand, diesmal mit Cloudbindung, Lizenzprüfung und Abo-Erpressung. Ich will ein Werkzeug, das mir hilft. Microsoft will, dass ich zahle, danke sage und mich dann in eine Vorschlagsleiste hineinquäle, die mich behandelt, als hätte ich gerade erst Tippen gelernt.
Drei Männer, drei Microsofts
Schaut man auf die Geschichte von Microsoft, dann trifft man auf drei sehr unterschiedliche Persönlichkeiten, die das Unternehmen in ganz verschiedenen Epochen geprägt haben – jeder auf seine eigene, unverwechselbare Weise.
Bill Gates, der Gründer, war der klassische Nerd-König: brillant, technikverliebt, besessen von Details. Für ihn war Software kein Produkt, sondern eine Mission. Er träumte von einem Computer auf jedem Schreibtisch – und zwar mit DOS, Windows, Word und möglichst der Microsoft-Lizenz. Gates wusste, was er tat. Er war stur, aber er hatte den Code im Kopf. Excel war seine Waffe, Windows sein Baby, und selbst Access bekam seinen Segen. Er wollte Kontrolle – aber über etwas, das funktionierte. Microsoft unter Gates war technisch dominiert, manchmal arrogant, aber immerhin durchdacht.
„Das muss so werden wie beim Mac!“ – Bill Gates während der Entwicklung von Windows
Dann kam Steve Ballmer – der Verkäufer auf Speed. Laut, schweißtreibend, permanent in Bewegung. Er schrie auf Bühnen „DEVELOPERS! DEVELOPERS! DEVELOPERS!“, als hinge das Schicksal der Menschheit davon ab. Unter seiner Führung wurde Microsoft zur aggressiven Marketingmaschine: Windows XP war stabil, aber Vista eine Katastrophe. Der Internet Explorer gammelte vor sich hin, während der Smartphone-Zug mit voller Geschwindigkeit an Microsoft vorbeifuhr. Ballmer wollte verkaufen, egal was. Microsoft war in dieser Zeit wie ein schwerer Tanker mit Turbinenantrieb – laut, wuchtig, aber oft orientierungslos.
Und dann kam Satya Nadella – leise, höflich, fast sympathisch. Er war der Architekt des neuen Microsoft: Cloud, Azure, Microsoft 365, KI-Strategie. Unter ihm wurde alles ein Abo, alles ein Service, alles eine Plattform. Die Software wurde glatter, die Benutzerführung polierter, das Marketing zurückhaltender – und der Nutzer immer überwachter. Nadella verpackte Kontrolle in Sanftheit. Microsoft wirkt heute intelligenter, strategischer, globaler – aber auch kälter. Alles ist vernetzt, integriert, abgesichert. Für den Nutzer bedeutet das: weniger Freiheit, mehr Bindung, mehr Bürokratie. Nadella lächelt – aber das System dahinter ist erbarmungslos effizient.
Man muss Nadella nicht mögen, aber man muss ihn respektieren. Er ist kein Techniker wie Gates, kein Marktschreier wie Ballmer – sondern ein Architekt. Einer, der Strukturen sieht, Märkte versteht und Organisationen umbaut wie andere Leute PowerPoint-Folien. Er hat Microsoft von einem müden Softwarekonzern in einen Cloud-Giganten verwandelt, der heute in jedem Rechenzentrum, jedem Unternehmen und bald in jeder Word-Datei präsent ist. Ein echtes Management-Genie – das Problem ist nur: Er passt zu Microsoft. Zu dieser Kultur des „Own Everything“, des Enterprise-Lock-in, des sanften Vendor-Lächelns bei gleichzeitig harter Zugriffskontrolle. Nadella ist das perfekte Hirn für ein System, das Kontrolle liebt – solange sie in der Cloud wohnt.
Markdown? Zu frei für BigTech
Ich will Notizen machen – im Klartext, mit Struktur, durchsuchbar, versionierbar. Und Microsoft hätte sogar eine App dafür: OneNote. Kostenlos! Klingt gut, ist aber unbenutzbar. Die Oberfläche wirkt wie ein digitales Ringbuch mit UI-Experimenten aus drei Jahrzehnten. Es gibt keine einheitliche Formatierung, keine einfache Exportmöglichkeit, kein Markdown – dafür aber Sync-Probleme, Schrifthöllen, und eine seltsame Struktur mit Abschnitten, Seiten, Notizbüchern und noch mehr Chaos.
Selbst einfachste Dinge wie „Ein Text in Monospace“ oder „Ein Bild und Text nebeneinander“ sind ein Krampf. Und Sticky Notes? Die sind gelb, in der Cloud und so funktional wie ein Post-it auf einem Monitor von 2002. Dabei wäre die Lösung so einfach: Markdown. Aber das ist zu frei, zu portabel, zu unabhängig. Deshalb wird es systematisch ignoriert – weil es nicht ins Geschäftsmodell passt. Ich will einfach Notizen machen. Microsoft will mir eine Plattform aufdrängen.
Ich will meine Apps zurück
Mulberry, ein simpler Mailclient, MS Access, eine simple Datenbank. Tools, die einfach funktionierten, lokal liefen, klar strukturiert waren. Du hast sie installiert, benutzt – fertig. Heute? Outlook ist ein überladenes Monster mit Ribbon-Overkill, Kalender-Kollisionen und Suchfeldern, die entweder alles oder gar nichts finden. Access existiert zwar noch, aber Microsoft versteckt es wie ein peinliches Familiengeheimnis irgendwo tief im Office-Paket – wenn du es überhaupt noch bekommst.
Dabei war Access nie die beste Datenbank der Welt – aber wenn man aus der Ecke von dBase III Plus und Clipper kommt, wirkt es fast luxuriös: Relationen per GUI, Formulare mit Drag-and-Drop, Berichte ohne .prg
-Dateien und keine USE Kunden EXCLUSIVE
-Manöver mehr. Für viele KMUs war Access genau das Richtige: lokal, schnell, verständlich. Heute wird es behandelt wie ein Altlast-Relikt – dabei ist es oft immer noch besser als die nächste PowerApp mit drei Connector-Abos und SharePoint-Tourette.
Und Mail? Gibt’s nur noch als Web-App, am besten mit Cloudbindung, Auth-Token und Browser-Reconnect. Wenn du heute selbst etwas Einfaches schreiben willst – sagen wir einen lokalen IMAP-Client mit Kontaktverwaltung – brauchst du zehn Konten, fünf SDKs, ein Azure-Projekt und die Bereitschaft, von Microsofts API-Stabilität enttäuscht zu werden. Ich wollte einfach Software. Microsoft will mir ein Ökosystem verkaufen.
Teams – ein Trauerspiel in mehreren Akten
Microsoft Teams war mal die Rettung. Während der Pandemie war es das Tool, das spontan funktionierte, flächendeckend ausgerollt wurde und vielen Unternehmen half, halbwegs remote arbeitsfähig zu bleiben. Kein Wunder – es war integriert, verfügbar und tat das Nötigste. Doch statt es weiterzuentwickeln, wurde es kaputtmodernisiert.
Heute ist Teams ein chaotisches Stück Software, das alles können will, aber nichts richtig macht. Die UI ist inkonsistent, der Funktionsumfang unübersichtlich und der technische Unterbau (Electron!) so aufgebläht, dass es auf modernen Laptops beim Starten klingt, als würde ein Jettriebwerk anlaufen.
Ein Meeting beitreten – ein interaktives Drama
Was früher ein einfacher Klick war, ist heute ein Mini-Adventure:
- Du klickst auf den Kalendereintrag in Outlook.
- Der Browser öffnet sich.
- Der Browser fragt: „In der App öffnen?“
- Teams öffnet sich, aber mit dem falschen Konto.
- Du meldest dich um – Teams startet neu.
- Du wirst aufgefordert, dich erneut zu authentifizieren.
- „Sie haben keinen Zugriff.“
- Du versuchst es über den Browser.
- Es funktioniert – aber jetzt bist du doppelt drin.
Du hörst dich selbst doppelt, siehst andere nicht, oder bist stummgeschaltet in einer Parallelinstanz – und das Meeting ist zur Hälfte vorbei.
Alternativen
Es gibt ja nicht nur Teams.
Funktion / Tool | Teams | Zoom | Slack | Discord | Element (Matrix) |
---|---|---|---|---|---|
Meetingbeitritt | Interaktives Drama | Ein Klick | Ein Klick (Huddle) | Sofort im Kanal | Direkt-Link |
Gastzugang | Problematisch bis unmöglich | Einfach | Möglich | Möglich | Kontrollierbar |
Audioqualität | Glückssache | Gut | Gut | Sehr gut | Ordentlich |
Chatübersicht | Fragmentiert | Klar | Exzellent | Gut | Je nach Client |
Accounthandling | Albtraum mit Tenants | Einfach | Einfach | Accounts optional | Föderiert (Komplex) |
Clientstabilität | Elektronisches Gelächter | Solide | Sehr gut | Sehr gut | Mittelgut |
Das eigentliche Problem
Teams will zu viel: Chat, Kalender, Aufgaben, Anrufe, Whiteboard, Wiki, Dateiablage, Workflows, Avatare, Emojis, Loop-Komponenten, Integration mit 27 Microsoft-Diensten, …
Aber nichts davon funktioniert so reibungslos wie es sollte. Und das alles basiert auf Electron – einer Plattform, die man für kleine Tools bauen kann. Aber nicht für ein Mission-Critical-Kommunikationssystem in Konzernen mit 10.000+ Nutzern.
Ich will doch nur spielen
Früher war Minecraft das perfekte Beispiel für einfache, unabhängige Software: Du lädst dir die .jar
-Datei herunter, startest sie – und bist in der Blockwelt. Kein Installer, kein Store, kein Drama. Heute sieht das ganz anders aus: Du wirst zuerst zum Microsoft Store geschickt, dann zur Xbox-App, brauchst ein Microsoft-Konto, musst dein Kind in die Familienfreigabe aufnehmen, dich mehrfach authentifizieren und dann hoffen, dass irgendetwas davon funktioniert. Und wehe, du landest beim falschen Launcher – dann beginnt das Spiel nicht, sondern der Irrgarten von Fehlermeldungen wie „Etwas ist schiefgelaufen.“
Papa, können wir was anderes spielen?
Und was früher nach fünf Minuten startklar war, ist heute ein Tutorial in Digital Rights Management und Accountbindung – für Kinder, versteht sich. Wer das durchsteht, hat sich das Spielen redlich verdient. Oder verloren.
Menschen oder FTEs?
Ich erlebe es im eigenen Umfeld: Im Management sitzen zunehmend Leute, die vielleicht noch programmieren könnten – es aber nicht mehr wollen. Und schlimmer noch: die vergessen haben, was es bedeutet, Software zu erschaffen. Die ihre Mitarbeitenden nicht als Ingenieure, als Problemlöser, als kreative Köpfe begreifen, sondern als FTEs – Full-Time Equivalents, zuweisbare Ressourceneinheiten in einem Tabellenplan.
Die Frage ist nicht mehr: „Was brauchst du, um gute Software zu bauen?“ Sondern: „Wie viel Prozent kann ich dich auf Projekt X buchen?“
Der Mensch dahinter – mit seinen Ideen, seinem Stil, seiner Erfahrung – verschwindet. Übrig bleibt eine Planstelle mit Skills-Tag und Velocity-Kurve.
Und genau aus dieser Haltung heraus entstehen dann Systeme wie Microsoft 365: Groß, kontrolliert, messbar, skalierbar – aber leer.
Fazit: Die Zeit der Garagen-Nerds ist vorbei.
Früher haben Leute wie Gates, Wozniak oder Torvalds Software geschrieben, weil sie mussten – weil sie ein Problem hatten, das niemand sonst lösen konnte. Heute schreiben Menschen PowerPoint-Roadmaps über Software, die andere dann outsourcen, integrieren und paketieren.
Vielleicht liegt das Problem nicht nur bei Microsoft, sondern an einem tieferliegenden Wandel in der ganzen Branche. Früher kamen Softwareentwickler aus der Neugier, aus dem Frickeln, aus der Begeisterung für Technik. Heute kommen sie oft aus der BWL – oder bestenfalls aus der Wirtschaftsinformatik. Menschen, die Systeme bauen wollen, damit sie sich rechnen – nicht, damit sie elegant sind. Die kein Gefühl dafür haben, wie sich gute Software anfühlen muss, weil sie sie nie aus dem Inneren heraus erlebt haben. Sie modellieren Prozesse, tracken KPIs, richten Jira-Workflows ein – und nennen das dann „Engineering“.
Was fehlt, ist nicht Know-how. Was fehlt, ist Leidenschaft. Und mit ihr verschwinden die kleinen Tools, die durchdachten Details, die liebevollen Ecken – all das, was Software früher mal zu einem Vergnügen gemacht hat.
Quellen und Links
- Jennifer Edstrom, Marlin Eller: Barbarians Led By Bill Gates
- Linus, Torvalds: Just for Fun
- Eric S. Raymond: The Cathedral and the Bazaar
- Bodo Wartke – PCdenzfall
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