Wehrhafte Demokratie

Wehrhafte Demokratie

July 18, 2025·
Karsten

Wehrhafter Bürger

Vom revolutionären Bürger zur entrechteten Selbstverteidigung

Im Jahr 1848 griff der Bürger zu den Waffen, um sich Freiheit und Mitbestimmung zu erobern. Die Revolution von 1848/49 brachte zwar kein dauerhaftes demokratisches System, aber sie legte den Grundstein für bürgerliche Rechte und ein neues Selbstverständnis. Erstmals war nicht mehr der Adel allein Träger von Waffen und Jagdrecht. Die Vorstellung eines freien, bewaffneten Bürgers wurde zum Symbol der Souveränität.

Heute ist davon nicht viel übrig. Der Staat misstraut dem Waffenbesitzer. Legal bewaffnete Bürger, Jäger, Sportschützen oder Sammler werden unter Generalverdacht gestellt. Die Gesetzgebung wird kleinteiliger, unübersichtlicher und zunehmend repressiv. Ein kleiner Formfehler kann zur Unzuverlässigkeit führen – mit Entzug aller waffenrechtlichen Erlaubnisse.

Dabei ist klar: Die legale Waffe spielt in der Kriminalitätsstatistik kaum eine Rolle. Gewaltverbrechen werden in der überwiegenden Mehrheit mit illegalen Waffen, Messern oder bloßen Händen verübt. Und dennoch richtet sich der regulatorische Eifer gegen die Braven, nicht gegen die Täter.

Je autoritärer ein Regime, desto schärfer seine Waffengesetze. Das galt im Kaiserreich, im Dritten Reich und in der DDR. Der demokratische Rechtsstaat folgt inzwischen ähnlichen Mustern: misstrauisch, kontrollierend, entwaffnend. Der Unterschied: Heute passiert es im Namen der “Sicherheit” und unter dem Applaus der Medien.

Die absurde Realität

Ein Jäger darf seine Büchsen und Flinten im Schrank haben, aber wehe, er transportiert ein Pfefferspray ohne Tierabwehr-Aufdruck. Ein Sportschütze darf über Monate für den Erwerb seiner Waffe nachweisen, dokumentieren, schulen – aber ein polnischer Flohmarkt liefert eine illegale Waffe für ein Wochenende. Was hier kontrolliert wird, ist nicht die Gefahr, sondern der Gehorsam. Was muss der Igel für ein kriegerisches Tier sein, dass man ihm seine Stacheln verbieten will? Wer sich nicht wehren darf, muss sich fügen. Wer nicht vorbereitet sein darf, muss vertrauen. Doch worauf eigentlich? Auf Verständnis? Auf Polizei, die zu spät kommt? Auf Gesetze, die nur für jene gelten, die sie ohnehin einhalten?

Praxis: Was darf ich überhaupt?

Ein Verteidigungsregenschirm ist legal. Pfefferspray auch – wenn es als Tierabwehrspray gekennzeichnet ist. Der Schnittschutzpulli wird problematisch, sobald Du damit zu einer Versammlung gehst. Und von Schreckschusswaffen rate ich dringend ab: Sie bringen Dich eher in Gefahr, als dass sie Dich schützen.

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Warum ich keine Schreckschusswaffe trage

Viele denken, mit dem “kleinen Waffenschein” sei man sicher. Die Wahrheit ist: Eine Schreckschusswaffe sieht für den Angreifer aus wie eine echte. Wenn dieser selbst bewaffnet ist – und das ist in der realen Welt nicht selten – dann wird er nicht fragen, ob Dein Lauf echt ist. Er wird sofort reagieren. Möglicherweise mit scharfer Munition.

Das bedeutet: Wer in einer Bedrohungslage eine Schreckschusswaffe zieht, riskiert alles. Es ist keine Deeskalation, sondern eine Einladung zur Eskalation. Und wenn der Angreifer unbewaffnet war, hast Du trotzdem ein juristisches Problem: Nötigung, Bedrohung, Missbrauch eines erlaubnisfreien Waffenimitats. Der Einsatz muss sich wie bei echten Waffen an den engen Grenzen der Notwehr messen lassen.

Zusätzlich ist der “kleine Waffenschein” ein formaler Schein: Er erlaubt das Führen, nicht den sinnvollen Einsatz. Training, taktisches Verhalten und Einschätzung von Situationen vermittelt er nicht. Damit trägt er zur Sicherheit in etwa so viel bei wie ein Bausparvertrag zur Landesverteidigung.

Kurz: Schreckschusswaffen sind Show. Wer Sicherheit will, muss anders denken.

Selbstverteidigung ist kein Hobby

Jörg Sprave zeigt in seinen Videos regelmäßig, wie widersprüchlich und bisweilen grotesk das deutsche Waffenrecht ist. Während ein Teleskopschlagstock verboten ist, darf man mit Luftdruck-Nadelwaffen experimentieren. Die Gesetzeslage ist so gebaut, dass man sie mit gesundem Menschenverstand kaum mehr überblicken kann – aber eben doch mit juristischer Spitzfindigkeit. Sprave tut das mit einem Augenzwinkern, aber auch mit politischem Ernst: Wer Verantwortung trägt, muss wissen, wo die Lücken sind – und wo die Fallen lauern.

Gleichzeitig nervt mich ein anderes Extrem: die ganzen Krav-Maga-YouTuber, die sich in ihren Videos mit dickem Gürtel, Taktikhose und „Reality Based Combat“-Attitüde vor die Kamera stellen. Als ginge es darum, im Supermarkt bei Lichtgeschwindigkeit den Angreifer auszuschalten, bevor er den Einkaufswagen greift. So läuft das nicht. Selbstverteidigung ist keine Show. Kein Hobby. Kein Instagram-Post. Sondern ein mentales Fundament: Wer vorbereitet ist, wird ruhiger, nicht lauter.

Ich trainiere selbst seit Jahren Krav Maga. Nicht um zu kämpfen, sondern um Gewalt zu vermeiden. Wer versteht, wie Auseinandersetzungen eskalieren, weiß, wie man ihnen ausweicht. Aber ich will nicht unvorbereitet sein, wenn einer kommt, der eben nicht nachdenkt. Einer, der mit hochgezogenem Kinn und Machogehabe auf mich zuläuft, von Testosteron, Alkohol oder Dummheit getrieben. Ich will nicht angreifen. Ich will nach Hause kommen.

Taschenmesser sind keine Lösung

Manche glauben, ein Taschenmesser sei eine geeignete Option zur Selbstverteidigung. Auch von konservativen Politikern hat man solche Vorschläge schon gehört. Das ist lebensgefährlich – vor allem für den, der es führt. Wer in Stress oder Panik mit einem Klappmesser ohne Parierstange sticht, wird sich selbst verletzen. Die Finger rutschen über die Klinge, die Sehnen reißen, die Hand ist kaputt, der Angreifer steht noch.

Ein Messer ist ein Werkzeug, keine defensive Waffe. Wer es führt, signalisiert Eskalation – juristisch und praktisch. Die Wahrscheinlichkeit, sich selbst zu schaden, ist höher als die, einen Angriff erfolgreich zu beenden. Ganz abgesehen davon, dass es in Deutschland ohnehin nicht legal ist, viele gängige Modelle in der Öffentlichkeit zu tragen.

Empfehlungen zur Praxis

Zu behaupten, Menschen bräuchten keine Waffen, weil es die Polizei gibt, ist so sinnvoll wie zu sagen, man brauche keinen Feuerlöscher, weil es ja die Feuerwehr gibt. Hier ein paar Empfehlungen für den Alltag:

  • Trage ein zugelassenes Tierabwehrspray, sauber verstaut
  • Nutze legale, defensive Mittel wie Regenschirm oder taktische Taschenlampe
  • Vermeide Waffenverbotszonen
  • Informiere Dich über lokale Regelungen
  • Trainiere nicht nur Technik, sondern auch Verhalten (Rückzug, Aufmerksamkeit, Sprache)

Mehr dazu in meinen Artikeln zu:

Selbstschutz ist keine Frage von Gewaltbereitschaft, sondern von Respekt: Vor sich selbst, vor dem Leben – und vor der Realität.