Vom Otter lernen

Vom Otter lernen

July 7, 2025·
Karsten

Seals beim Öffnen einer Tür
Ein Trupp von SEALs öffnet eine Tür. Was genau dahinter liegt, ist unbekannt.

Ich schaue zurzeit die Serie SEAL Team auf Paramount+. Nicht nur wegen der Action – obwohl ich ein gewisses Faible für Ausrüstung, Taktik und Militärgeschichte nicht leugnen kann. Was mich wirklich fesselt, sind die Werte dahinter: Teamgeist, Disziplin, Verantwortung, Ruhe im Chaos. Hier geht es nicht um Militärromantik, sondern um die Fragen:

  • Was hält ein Team zusammen, wenn es ernst wird?
  • Was macht eine Gruppe von Menschen nicht nur effizient, sondern verlässlich?
  • Und was davon können wir in unseren Alltag mitnehmen: ins Büro, in die Familie, ins eigene Selbstmanagement?

Otter?

Der SEAL im Wappen ist ein Seehund – stark, maritim, kämpferisch. Der Otter dagegen ist flink, sozial, verspielt – und mindestens genauso anpassungsfähig. Er lebt im Wasser und an Land, arbeitet im Familienverband, ist intelligent, beweglich und zäh. Kurz: Kein Raubtier, sondern ein Überlebenskünstler. Vielleicht ist das der bessere Archetyp für das, worum es hier geht.

SOPs statt Chaos

Standard Operating Procedures (SOPs) klingen nach Bürokratie. Doch für SEALs sind sie die Basis für kontrollierte Flexibilität. Wenn der Plan versagt – was er irgendwann immer tut – können sie spontan umschalten, weil das Fundament stabil ist.

Für uns bedeutet das: Gute Vorbereitung ist kein starrer Plan, sondern ein agiler Rahmen. Wer seine Abläufe kennt, kann sie im Ernstfall souverän verlassen – nicht aus Panik, sondern aus Überzeugung.

Der Einsatz, den man nicht bemerkt

Viele SEAL-Einsätze verlaufen „unsichtbar“. Sie beobachten, sichern, evakuieren, bauen Beziehungen auf. Manchmal ist der größte Erfolg, dass nichts eskaliert und kein Schuss fällt – weil jemand wusste, wie man es verhindert.

Für den Alltag heißt das: Nicht jede Wirkung muss sichtbar sein. Manchmal ist die beste Entscheidung die leise. Keine Schlagzeile, kein Applaus – nur ein Problem, das gar nicht erst entsteht.

Ruhe als Superkraft

Mark Divine, selbst SEAL-Offizier, beschreibt in SEALfit, wie wichtig mentale Techniken sind: Atmung, Visualisierung, Meditation. Nicht als Esoterik – sondern als Werkzeug im Einsatz. Wer ruhig bleibt, wenn es brenzlig wird, gewinnt die Kontrolle zurück.

Auch zivil gilt: Klarheit schlägt Kraft. Atemübungen wie Box Breathing, Kaltwassertraining oder bewusste Stille helfen nicht nur Spezialkräften. Sie helfen jedem, der Verantwortung trägt.

ℹ️

Box Breathing (auch bekannt als quadratische Atmung) ist eine Technik, bei der du jeweils vier Sekunden lang:

  • Einatmest (ruhig durch die Nase),
  • Die Luft anhältst,
  • Ausatmest (sanft durch den Mund),
  • Die Luft wieder anhältst – und dann wieder von vorne beginnst.

Das klingt einfach und ist es auch. Aber es hat tiefgreifende Wirkung: Puls und Blutdruck sinken, das Nervensystem schaltet vom Alarm- in den Ruhemodus. Regelmäßiges Üben stärkt die Fähigkeit, auch in Stressmomenten ruhig und fokussiert zu bleiben.

Sealfit-Yoga ist eine funktionale Form des Yoga, entwickelt für Spezialkräfte. Es kombiniert bewusste Atemführung mit Dehnung, Körperspannung und mentalem Fokus – oft unter erschwerten Bedingungen (Hitze, Müdigkeit, Erschöpfung). Ziel ist nicht akrobatische Leistung, sondern mentale Widerstandskraft bei körperlicher Belastung.

Wer täglich ein paar Minuten investiert, trainiert nicht nur den Körper – sondern die Fähigkeit, in jeder Lage ruhig und klar zu bleiben.

Vertrauen statt Status

SEALs agieren im Kollektiv. Rang bedeutet im Einsatz wenig – was zählt, ist Verlässlichkeit. Die Rollen sind klar, das Vertrauen ist tief. Niemand kämpft allein.

Was wir lernen können: Echte Teams entstehen nicht durch Titel, sondern durch Vertrauen. Wer loslassen kann, gewinnt Spielraum – und oft mehr Unterstützung, als er denkt.

Was viele unter „Teamarbeit“ verstehen, ist in Wahrheit nur paralleles Arbeiten: Jeder bastelt an seiner Aufgabe, das Ergebnis wird beim Teamleiter abgeliefert, fertig. SEAL-Teams funktionieren völlig anders. Dort ist ein Team eine gemeinsame Mission, bei der jeder nicht nur seinen Job kennt – sondern auch den der anderen. Man denkt mit, übernimmt Verantwortung, gleicht aus, unterstützt.

„Cover and move“ – ein einfacher taktischer Grundsatz. Einer sichert, der andere bewegt sich. Dann wird getauscht. So kommen beide weiter.

In zivilen Teams könnte das so aussehen: Ein Kollege kämpft sich durch einen schwierigen Kundentermin. Ein anderer sichert im Hintergrund, sammelt Informationen, bereitet Lösungen vor. Dann tauschen sie – ohne Drama, ohne Statusspiel. Nur reibungslose Zusammenarbeit.

Planung ist kein Stundenplan, Nachbesprechung kein Verhör

In klassischen Organisationen bedeutet „Planung“ oft: Aufgaben verteilen, Deadlines setzen, Verantwortung zuweisen. SEAL-Teams planen anders: Sie analysieren das Ziel gemeinsam, antizipieren mögliche Komplikationen und entwickeln gemeinsam Lösungen.

Planning
Der Planungsprozess profitiert von einer interdisziplinären Zusammenarbeit.

Und das Debriefing danach? Kein Fingerzeigen. Kein „Warum hat das so lange gedauert?“ Sondern:

  • Was ist passiert?
  • Was lief gut?
  • Was können wir besser machen?

So entsteht eine Kultur des Vertrauens, nicht der Angst. Kritik wird zur Ressource.

Wenn einer fällt

Im SEAL-Team ist der Verlust eines Kameraden das Schlimmste. Dann steht nicht „Wer hat versagt?“ im Raum, sondern: „Was hätten wir anders machen können?“ In vielen Unternehmen hingegen reicht oft ein Schulterzucken:

„War nicht belastbar.“„Hat nicht ins Team gepasst.“„Selbst schuld.“

Was wir lernen können: Verantwortung endet nicht bei der eigenen Aufgabe. Echte Teams kümmern sich. Nicht, weil es im Leitbild steht – sondern weil es menschlich ist.

“Darauf kannst du dich nicht vorbereiten”

Feuerwehr, Polizei, Rettungsdienst, Militär – sie alle eint: Sie stehen immer wieder vor Situationen, die niemand geübt hat.

Es gibt keine perfekte Vorbereitung – aber es gibt Vorbereitung auf das Unperfekte. SEALs trainieren nicht nur Abläufe, sondern Verhalten unter Unsicherheit. Genau das macht sie einsatzfähig, wenn andere ins Stocken geraten.

Was wir mitnehmen können: Ruhig bleiben. Den ersten Schritt machen. Gemeinsam Lösungen finden – auch ohne Plan.

Üben für den Moment, der vielleicht nie kommt

In einer Folge von SEAL Team trainiert das Team tagelang für einen Einsatz. Jedes Detail wird geprobt. Am Ende wird die Mission abgesagt. Kein Ärger – denn das Ziel war, vorbereitet zu sein. Nicht der schnelle Wurf zählt – sondern die Beherrschung. Nicht Aktion – sondern Präzision.

Wir üben nicht, bis wir es können. Wir üben, bis wir es nicht mehr falsch machen können.

Was wir daraus lernen können: Gute Vorbereitung ist nie umsonst. Sie erlaubt, im Ernstfall sicher zu entscheiden – oder eben bewusst nicht zu handeln.

„Calm is contagious.“ – Marc Divine

Ruhe ist ansteckend. Und manchmal ist das der Anfang von echter Stärke.

Quellen und Links

SAELfit in acht Wochen von Mark Divine

Seal Team auf Paramount+