Mein lieber Herr Gesangsverein
Wir Deutschen reden in Rätseln. Da sagt jemand: „Jetzt haben wir den Salat“ – und alle nicken wissend. Was für ein Salat? Nudelsalat? Kartoffelsalat mit oder ohne Mayo? Niemand weiß es, aber alle sind sich einig: Das war für die Tonne.
Und das ist erst der Anfang. Willkommen in der Welt der Redewendungen – dem Notausgang der deutschen Sprache. Da steppt der Bär, woanders pfeift das Schwein. Und irgendwo in der Pfanne wird der Hund verrückt. Ich sag’s dir, das ist kein Sprachgebrauch mehr, das ist ’ne Tierdoku auf Drogen.
Und dann sitzt du da – vielleicht neu im Team, vielleicht einfach nur unschuldig am Montagmorgen – und Ingrid aus Buchhaltung sagt trocken: „Na super, jetzt ist die Kacke am Dampfen.“ Und du denkst nur: Klar, wenn man zu viel Druck macht, kommt halt Scheiße dabei raus.
Redewendungen sind wie diese Familienfeiern, wo der leicht angesoffene Onkel mit dem karierten Hemd plötzlich Lebensweisheiten raushaut wie „Wer anderen eine Grube gräbt, hat meistens einen Spaten.“ – Danke, Onkel Horst. Wollte keiner wissen, aber jetzt ist’s in meinem Kopf und bleibt da für immer.
Oder diese Sätze, die wie Faustschläge klingen, aber angeblich „nicht böse gemeint“ sind: „Da hast du dich ja mal wieder nicht mit Ruhm bekleckert.“ Danke, Mama. Ich hab nur vergessen, den Müll rauszubringen, nicht den Bundestag aufgelöst. Ich mein, andere Länder haben Poesie. Die Franzosen flüstern vom verlorenen Paradies. Wir hauen raus: „Ich krieg die Motten im Quadrat!“. Aber Hauptsache, der Drops ist gelutscht.
Apropos rundgelutscht: Wenn „der Wurm drin ist“, dann läuft’s nicht rund. Aber welcher Wurm eigentlich? Eine Made vielleicht? Die ist ja auch ’ne Art Wurm, aber eher die schlechte Nachricht im Apfel. Und nein, sie hat nichts mit „Made in Germany“ zu tun – auch wenn da manchmal ebenfalls der Wurm drin ist. Sprachlich gesehen ist das eine einzige Vollkatastrophe: Da sitzt die Made fett grinsend im Speck, und keiner wundert sich. Das ist wie bei den ganzen Leuten, die denken, „sich einen hinter die Binde kippen“ hätte was mit Modeaccessoires zu tun – und dann lallen sie über den Laufsteg.
Wir machen das mit einer Selbstverständlichkeit, als hätten wir alle kollektiv den Intensivkurs in Bildsprache besucht. Keiner weiß, woher’s kommt – aber sag’s mit Überzeugung, und alle nicken. Sprachlicher Herdentrieb. Unsere Redewendungen sind wie dieser eine abgeranzte Opel Corsa mit Flammenaufkleber und Spoiler aus dem Baumarkt: komplett Banane, aber irgendwie Kult. Du weißt, es ist drüber – aber wenn er um die Ecke kommt, denkst du trotzdem: Geil, der lebt sein Leben.
Wenn man das alles mal sacken lässt, wird klar – wir sind nicht schlecht im Reden. Wir sind einfach verloren in Bildern. Aber immerhin mit Stil. Oder sagen wir: Mit einer pfeifenden Sau, einer brennenden Hütte und spitz wie Nachbars Lumpi.
Neulich, auf einem Spaziergang mit Freunden – frische Luft, gute Laune, mäßiger Empfang – fragte mich jemand, den ich gerade erst kennengelernt hatte:„Was machst du eigentlich, wenn dir die Sprüche ausgehen?“ Ich hab nur kurz gegrinst und gesagt: „Kein Ding. Mache ich halt neue.“
So läuft das mit Sprache. Wer ein Eisen im Feuer hat, sollte es schmieden, solange es heiß ist – und wenn keines da ist, reicht manchmal schon ein zündender Funke.
Lieben Gruß,
Holla, die Waldfee